75. Stuttgarter Buchwochen

Eine Buchausstellung im Wandel der Zeiten

1949: « ... das Gebäude des Landesgewerbeamtes - ein Torso, große Teile des umfangreichen Gebäudetraktes unbenutzbar, über dem früher so repräsentativen König-Karls-Saal wölbt sich der Himmel. Im Flur, auf Kisten und Schränken, werden den wenigen erschienenen Pressevertretern Weg und Ziel erläutert ... » (aus dem Aufsatz von Chronist Theodor Stein: In Notzeit geboren).

Die Anfänge nach dem Krieg

Im Nachkriegsdeutschland herrscht Lizenzzwang für Zeitungs- und Buchverlage, bei der Papierbeschaffung gibt es große Engpässe. Von 120 Stuttgarter Verlagen haben nur 65 den Krieg überdauert. Die Aufhebung des Lizenzzwanges im vierten Jahr nach Kriegsende zieht eine große Zahl von Verlagsneugründungen nach sich, auch gibt es in Stuttgart einige "Neuzugänge" aus dem Osten (z.B. S. Hirzel, Reclam, Thieme).

In dieser Atmosphäre des Aufbruchs entschließt man sich, eine Buchausstellung ins Leben zu rufen. Hauptinitiatoren sind der Stuttgarter Verleger Rolf Keller sowie die Stuttgarter Buchhändler Fritz Ifland und Justus Koch. Eine wichtige Rolle kam auch dem damaligen Präsidenten des Landesgewerbeamtes, dem gelernten Buchdrucker Albert Pflüger zu, der sie unterstützte.

"Buch, Presse und Gebrauchsgraphik Stuttgart 1949"

Vom 27. August bis 23. September 1949 öffnet die Ausstellung "Buch, Presse und Gebrauchsgraphik Stuttgart 1949" ihre Pforten - für eine reine Buchausstellung hatte die Zahl der Titel nicht ausgereicht. In diesem Jahr nimmt auch die bis heute andauernde Zusammenarbeit zwischen dem Landesgewerbeamt (dem heutigen Haus der Wirtschaft) und dem Verband der Verlage und Buchhandlungen (dem heutigen Börsenverein Baden-Württemberg) ihren Anfang: Mit wenigen Unterbrechungen - gleich 1950 fällt die Ausstellung das erste und einzige Mal aus - arbeiten beide Häuser seitdem erfolgreich Hand in Hand.

"Die Große Stuttgarter Buchausstellung"

Schon 1951 wird dann der Sprung zur reinen Buchausstellung geschafft: neben der Präsentation von Verlagsprogrammen gibt es auch schon die Sonderschau zu einem bestimmten Thema (zum Beispiel 1949 die "Bücherei einer katholischen Familie") und ein zunächst bescheidenes Rahmenprogramm, an dem vor allem regional bekannte Schriftsteller*innen mitwirken.

1956 findet die "Große Stuttgarter Buchausstellung" - wie die Ausstellung seit einigen Jahren genannt wird mit 115 Verlagen und 7000 Büchern statt. 

Von der Leistungsschau für Verlage zum Kulturereignis

Den endgültigen Durchbruch, bei dem die Buchausstellung den Sprung von einer "Leistungsschau" für Verlage zu einem Kulturereignis schafft, kommt 1966: von da an ist ein ständiges Begleitprogramm mit Lesungen, Podiumsdiskussionen, Vorträgen und bekannten Persönlichkeiten nicht mehr wegzudenken.

Die Stuttgarter Buchwochen

Die "Große Stuttgarter Buchausstellung" wird offiziell in "Stuttgarter Buchwochen" umbenannt. Das war 1972. Ein Jahr, das sich durch 39 Abendveranstaltungen und die Einrichtung eines Ausstellungscafés auszeichnet. Ein weiterer Meilenstein ist die 1975 eingeführte Kinder- und Jugendbuchwoche, der Vorläufer des heutigen Kinder-und Jugendprogramms. Die Matinee-Veranstaltungen (die heutigen Schülerlesungen), die ab 1985 regelmäßig angeboten werden, werden ein beliebtes Programmsegment für Lehrer*innen und ihre Schulklassen.

Gastländer und Sonderschauen

Ein jährlich wechselndes Gastland wurde 1981 eingeführt - es hieß damals noch "repräsentativer Beitrag eines europäischen Landes". Schon recht bald weitet sich der Kreis der Gäste jedoch über die Grenzen Europas aus. Besonders entfernte Gestade erreichen die Buchwochen 1988 mit China, 1989 mit den USA und 1994 mit Kanada sowie im Jahr 2000 mit Indien, das bei den 50. Buchwochen seine Literatur präsentierte.

Das "elektronische Buch" hält 1995 Einzug in die Ausstellung. Damals werden zum ersten Mal CD-ROMs und andere elektronische Verlagserzeugnisse in der  Sonderschau "Neue Medien" gezeigt. Ein besonderes Highlight ist von Anfang an die Kodak Fotobuchschau, die 1976 zum ersten Mal zu sehen ist. Die attraktiven Foto-Bildbände sind die Sieger und Auswahltitel aus dem Kodak Fotobuchwettbewerb - ein Vorläufer des heutigen Deutschen Fotobuchpreises.

Noch mehr prominente Gäste

Im Laufe der Jahre konnten die Buchwochen noch viele weitere prominente Gäste begrüßen. Hier eine kleine Auswahl:

Bücher können was - auch heute noch

Auch heute können  Bücher noch sehr viel: Die Stuttgarter Buchwochen 2024 glänzten mit einem hochkarätigen Rahmenprogramm. Ausverkauft waren die Live-Aufzeichnung des beliebten Podcast "Zwei Seiten" mit Christine Westermann und Mona Ameziane, die Lesungen mit Gregor Gysi und Harald Martenstein, die Auftritte von Literaturkritiker Denis Scheck und Schauspielerin Caroline Peters. Das jüngere Publikum konnte mit einem "New Adult-Abend" und einem "Fantasy-Tag" für die Buchwochen gewonnen werden. Erstmals fand 2024 auch ein Buchverkauf auf den Buchwochen statt.

Wer sehen möchte, was im letzten Jahr alles los war, geht am besten auf unsere Fotogalerie 2024.